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Bessere Sprints mit der richtigen Retro

Zur agilen Arbeitsweise nach Scrum gehören unter anderem Sprint Planning, Sprint Review und Sprints Retrospektiven. Bei letztgenannten kommt das Entwicklerteam zusammen, um den vergangenen Sprint Revue passieren zu lassen. Was lief gut, was lief weniger gut, und wie können wir den nächsten Sprint noch besser gestalten?

Das Team sammelt die Themen. Der Scrum-Master moderiert die Retro. Außerdem motiviert er die Teilnehmenden, sich aktiv am Geschehen zu beteiligen und das eigene Empfinden über den abgelaufenen Sprint zu verbalisieren.

Doch wie genau motiviert man Teams, die bereits zig Retros gemeinsam durchgeführt haben? Schließlich ist die Retro ein wichtiger Baustein für eine erfolgreiche Produktentwicklung. Jede Retrospektive bietet die Chance, den nächsten Sprint besser zu gestalten. Das Ziel: Die  Zusammenarbeit des Teams optimieren, damit es ein großartiges Produkt für den Kunden entwickeln kann.
 

Der Scrum-Master als Motivator

Die Form der Retro kann ein entscheidender Faktor sein, um die Motivation innerhalb des Meetings hochzuhalten. Der Klassiker in der Retro besteht aus vier Fragen, die alle Teilnehmer einzeln beantworten müssen:

  • Was lief so gut, dass wir es beim es nächsten Mal erneut anwenden sollten?
  • Was haben wir gelernt?
  • Was muss zukünftig anders gemacht werden?
  • Was haben wir noch nicht verstanden?

Allein durch das ehrliche Beantworten dieser vier Fragen verschafft man sich einen guten Überblick darüber, wie der zurückliegende Sprint ausgesehen hat und der kommende Sprint aussehen soll. Behält man diese Form der Retro als Standard bei, hat man stets ein festes Regelwerk, mit dem jeder Scrum-Master eine Evaluierung der Sprints vornehmen kann.

Allerdings besteht die Gefahr, dass diese Form irgendwann als fad und wenig motivierend empfunden wird. Das Entwicklerteam weiß im Vorfeld schon, wie die Retro ablaufen wird und verfällt in den Modus „Autopilot“.

Deswegen ist gerade für die Gestaltung der Retro ein Scrum-Master mit kreativen Ideen und spielerischen Lösungen besonders wichtig. Sind die Retro-Meetings abwechslungsreich, steigt die Chance auf ein hohes Engagement und wertvolle Ergebnisse.

Muss sich das Team in den Meetings jeweils auf ein neues Gesprächsklima, eine neue Form, Themenwelt oder Struktur einstellen, aktiviert das emotionale und kognitive Prozesse, die zu einer höheren Beteiligung und besseren Lerneffekten führen.


Die Retro als Kundenrezension

Eine mögliches Gesprächsklima in der Retro ist die „Kundenrezension“. Anstatt den Standard-Ablauf abzuarbeiten, bittet der Scrum-Master darum, eine Bewertung für den vergangenen Sprint abzugeben.

Das beinhaltet

  • Eine zusammenfassende Bewertung der Ware „Sprint“
  • Eine Sterne-Bewertung von 1 („gefällt mir überhaupt nicht“) bis 5 („gefällt mir außerordentlich“)
  • Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Ware:
    Was spricht für den letzten Sprint? Hat er sein „Produktversprechen“ einhalten können?
    Was ist ein Negativaspekt des letzten Sprints? Welche Erwartungen wurden nicht erfüllt?

 

Leider können wir hier keinen direkten Bezug auf eine tatsächliche Produktentwicklung aus unsere Agile Software Factory nehmen (Betriebsgeheimnisse und so).

Stattdessen arbeiten wir mit unserem Lieblings-Fantasie-Projekt, das wir auch schon in unserem Blogbeitrag zum Thema OKR verwendet haben:

Wir wollen einen Kölner zum Mond schießen. Dazu benötigen wir ein funktionierendes Raumschiff mit dafür passender Software.

Den vorhergegangenen Sprint für diese Produktentwicklung  bewerten wir in der Retro per Kundenrezension dann etwa folgendermaßen:


Super Ergebnis mit kleinen Schwächen ****

Pro: Im abgelaufenen Sprint haben wir fast alle Backlog-Items abarbeiten können. So kommen wir dem Launch unserer Rakete immer näher! Meiner Meinung nach lag das an der realistischen Schätzung, die wir im Planning vorgenommen haben. Weil wir diesmal mit der Fibonacci-Skala anstatt mit T-Shirt-Größen geschätzt haben, konnten wir uns dem tatsächlichen Aufwand besser nähern.

Kontra: Die in den Tickets festgelegten Anforderungen müssen im Vorfeld besser formuliert werden. Das gilt vor allem für die Untertickets zum Thema Abschussrampe. Meiner Meinung nach hat es zu viel Zeit gekostet, die Backlog-Items so umzuschreiben, dass jeder im Team genau wusste, was zu tun ist.


Schneller, aber auch besser? **

Pro: Wir haben mehr Tickets abgearbeitet als beim letzten Sprint.

Kontra: Zum einen werden wir viel Zeit ins Refactoring stecken müssen, damit wir keinen smelly Code haben. Zum anderen müssen wir die Anforderungen insgesamt nochmal klarer machen. Die Rakete wird aller Voraussicht zwar auf dem Mond landen können, aber wenn die Rakete wie neuerdings geplant auch wieder zurück auf die Erde kommen soll, müssen wir nochmal ran.


Volle Motivation voraus ****

Pro: Die Arbeitsgeschwindigkeit wird immer höher. Wir stimmen uns besser gegenseitig ab und diesmal wurden die Tickets auch immer an denjenigen mit dem passenden Skillset gegeben. Die Stunde mehr „Tunnelzeit“, in der man ungestört arbeiten kann, hat auch echt viel gebracht. Meiner Meinung nach hat das einfach gut gepasst diesmal. Mehr davon!

Kontra: Ich persönlich kann nicht meckern, nur war die Stimmung im Team nicht immer so gut. Da würde ich gerne wissen, woran das lag?



Jetzt fasst der Scrum-Master die Pro- und Kontrapunkte zusammen und hält die durchschnittliche Bewertung fest. Bereits für den nächsten Sprint gilt es, die Erkenntnisse aus dieser Retro zu nutzen. Positiv empfundene Vorgehensweisen sollen beibehalten, negative Erlebnisse sollen vermieden werden. Dazu überlegt das Team gemeinsam Maßnahmen und verständigt sich darauf, diese für den nächsten Sprint umzusetzen. So wird das Team von Sprint zu Sprint besser.

 

Die Retro als Newsroom

Ideen, um ein unterhaltsames Gesprächsklima zu schaffen, holen auch wir uns regelmäßig beim Retromat. So etwa das Format „Schlagzeilen machen“. Hier soll das Team festhalten, welche Ereignisse im Sprint berichtenswert gewesen sind.

In einer unserer letzten Retros haben wir diese Idee aufgegriffen und noch weiter vertieft. Gemeinsam haben wir eine Ausgabe der „Sprint News“ gestaltet.

Diese beinhaltet nicht nur übergeordnete Schlagzeilen zum Sprint im Allgemeinen, sondern auch spezifische Anmerkungen zu diversen Kategorien und „Ressorts“. Die einzelnen Themengebiete im Überblick:

Titelseite: Hier schreibt jedes Teammitglied eine zusammenfassende Headline über den Sprint auf.

Wetter: Das Team hält fest, wie die Stimmung im Sprint gewesen ist. Sind Konflikte entstanden? Gab es dunkle Wolken oder herrschte eitel Sonnenschein?

Wissenschaft & Technik: Die Teilnehmenden beantworten, ob etwas berichtenswertes zum Thema Software-Architektur aufgetaucht ist. Gibt es technische Sorgen?

Politik: Wie hat die Kommunikation untereinander und mit dem Kunden funktioniert? Sind die Backlog-Items alle verständlich geschrieben gewesen? Forderten firmenpolitische Entscheidungen einen geänderten Ablauf ein?

Lokales: Gab es Begebenheiten im Büro, die den Sprint verändert haben? Hatten private Ereignisse Auswirkungen auf den Sprint?

Wirtschaft: Wenn Änderungen auf Unternehmensebene zu Tage getreten sind, die Auswirkungen auf den zurückliegenden Sprint hatten, werden diese in der Rubrik Wirtschaft festgehalten. Weitere Fragen, die es zu beantworten gilt: Hat sich auf Kundenseite etwas getan? Hat sich der Scope im abgelaufenen Sprint verschoben?

Leserkommentare: Hier werden die Maßnahmen aufgeschrieben, die für den nächsten Sprint zu einer (noch) bessere Leistung führen sollen.

Preis: Zu guter Letzt schreiben die Teilnehmenden auf, was Ihnen die „Sprint News“, sprich das gerade abgelaufene Retro-Meeting wert ist. War es eine sinnstiftende Retro und hat uns als Team vorangebracht? Wissen wir, wie wir das Produkt im nächsten Sprint noch besser machen können? Ein Preis von 20 Cent steht dabei für ein eher negatives Erlebnis, ein Verkaufspreis von 2 Euro für ein eher positives.

 

Für unser unser Mond-Projekt könnte das Ergebnis beispielsweise so aussehen:

Höher, schneller, weiter – hält unsere Rakete dem Druck stand?

Nur kleine Wolken trüben den sonnigen Himmel
Die Stimmung innerhalb des Teams war die meiste Zeit 1A. Bei Thema Abschussrampe gab es intern kurz Abstimmungsschwierigkeiten, das haben wir aber schnell lösen können.

Alles im Lack? Neuer Farbanstrich bereitet Sorgen.
Wir haben sehr gewissenhaft alle Oberflächen-Tests durchgeführt. Erst danach hat sich der Kunde gewünscht, dass die Außenhülle mit einer bestimmten Farbe angestrichen werden soll. Allerdings ist nicht klar, ob diese so hitzebeständig ist wie die vorherige. Bauchschmerzen bereitet mir auch, dass die Rakete langfristig auch für Mars-Missionen genutzt werden soll. Ob sie den geänderten Bedingungen dort standhalten kann, ist sehr fraglich.

Kommunikationsprobleme? Jetzt reden die Entwickler!
Die Kommunikation zum Thema Abschussrampe war verbesserungswürdig, weil die Tickets nicht so klar formuliert waren. Mit dem Kunden hat die Zusammenarbeit sehr gut funktioniert – in den Review-Meetings gab es durchweg positives Feedback. Komisch für mich war nur, dass in einem der Meetings ohne Ankündigung ein neuer Leiter Technik dabei saß. Die Kommunikation läuft aber gut mit ihm.

Nachwuchs in der lise Family!
Frank ist Vater geworden. Klar, dass er da ein paar Tage gefehlt und anschließend von zu Hause aus gearbeitet hat. Da gab es dann kurz Abstimmungsbedarf, hat uns aber nicht wirklich aus dem Zeitplan geworfen.

Kunde denkt groß – Mondrakete doppelt so lang unterwegs?
Der Kunde hat ein paar Stellen gestrichen und umbesetzt. Deswegen haben wir jetzt für unser Projekt dort einen neuen Ansprechpartner. Das eingesparte Geld fließt jetzt anscheinend in den Scope. Da hat sich jetzt einiges getan – die Rakete soll ja jetzt auch direkt wieder zurück zur Erde fliegen können. Das war vorher nicht klar.

Verbessern kann man sich immer
Ich lese Ihre Sprint-News wirklich gerne! Aber für die nächste Ausgabe schlage ich vor: 1. Weniger Backlog-Items für den Sprint einplanen. 2. Fürs Planning mit dem Kunden die Erwartungen nochmal ganz genau durchsprechen, und 3. Die Anforderungen noch expliziter ausformulieren (lassen). Dann könnte man die Rakete evtl. modularer aufbauen, so dass die Einsatzzwecke erweitert werden können

Preis: 2,50 €

 

Die Retro im Brauhaus

Eine Form der Retrospektive, die sich vielleicht für Freitage besonders gut eignet: Das virtuelle Brauhaus. Das Team wird vom Scrum-Master dazu eingeladen, sein eigenes Bier zu brauen und es am Ende des Retro-Meetings auch zu verzapfen. Wir gehen also gemeinsam los und starten im Gastraum.

Im ersten Schritt wird der zurückgelegte Sprint bewertet und kategorisiert. Dazu werden Post-It Zettel mit Biersorten auf das Brauhaus geklebt. Wurde der Sprint als eher negativ empfunden, wird ein bitteres Pils „bestellt“. Ein positiv erlebter Sprint gleicht einem leichten Kölsch. Natürlich ist jegliche Biersorte erlaubt – es kommt ganz den subjektiv empfundenen Geschmack an.

 


Anschließend geht man gemeinsam ins Maßnahmen-Lager. Hier klebt der Scrum-Master die aus dem letzten Retro-Meeting beschlossenen Maßnahmen auf die einzelnen Fässer. Die Gruppe spricht darüber, ob die Maßnahmen gefruchtet haben und ob sie sinnvoll gewesen sind oder nicht.

 


Nun wird das Bier des gerade zurückgelegten Sprints zusammengebraut. Dazu bedarf es mehrerer Zutaten. Welche Themen haben den Sprint dominiert, was hat ihn ausgemacht? Zur Anregung liegen übergeordnete Themenblöcke bereits aus. Selbstverständlich kann sich jeder der Teilnehmer auch anderen Feldern widmen.

Auch hier konzentrieren wir uns auf den Auftrag, einen Kölner zum Mond zu Schießen. Wir fragen uns also, was bei der Entwicklung des Raumschiffs in den letzten 2 Wochen gut und weniger gut lief.
 


Im Anschluss werden die Themen in vier Spalten priorisiert.
Je wichtiger das Thema, desto höher der Alkoholgehalt. Jeder Teilnehmer entscheidet selbst, welche Priorisierung sein Thema genießen soll.

Ist es von geringer Wichtigkeit, wird das Bier zum alkoholfreien Genuss mit 0.0% Volumen deklariert. Ist das Thema hingegen enorm wichtig, wird es ein Starkbier oder sogar Bierbrand mit zweistelligem Volumenprozent. Zusätzlich vergeben alle ihrem Getränk einen thematisch passenden Namen.
 


Das Team entscheidet sich jetzt für vier der zuvor ausgelegten Getränke und legt diese auf die Zapfhähne. Über diese Themenauswahl wird gesprochen und neue Maßnahmen zur Verbesserung werden festgelegt. Die Teilnehmer legen die Vorschläge unter die dazugehörigen Zapfhähne ab und In der nächsten Retro werden diese auf deren Effektivität hin evaluiert. So entsteht ein Kreislauf der kontinuierlichen Verbesserung. 
 


Wir halten also folgende Maßnahmen für unser Mondraketen-Projekt fest:

  • Fürs Planning mit dem Kunden die Erwartungen nochmal ganz genau durchsprechen.
  • Anforderungen noch expliziter aufschreiben und vom Team bestätigen lassen. Rakete dann evtl. modularer aufbauen, damit die Einsatzzwecke erweitert werden können
  • Voraussetzungen recherchieren, wie die Mondrakete auch eine Marsmission bestreiten könnte.
  • Weniger aufwändige Backlog-Items in den Sprint einplanen, um einzelnen Themen mehr Zeit widmen zu können.

 

Am Ende der Retro wird diese natürlich wieder bewertet. Die Teilnehmer hinterlassen Striche auf Bierdeckeln, um ihre Wertschätzung auszudrücken.

Ein einzelner Strich signalisiert Nichtgefallen, 10 Striche gleichen überschwänglichem Lob.  Neun tatsächlich abgegebene Striche zeigen, dass die Retro als überaus gelungen empfunden wurde. Ein positives Feedback für den Scrum-Master und ein noch wichtigeres Ergebnis für den Kunden.

Denn als Software-Agentur arbeiten wir alle auf das Ziel ein, jede Iteration des Produkts hochwertig zu gestalten. Das gelingt, wenn alle effizient an Lösungen arbeiten können und Störfeuer ausbleiben. Eine offen und regelmäßig geführte Retrospektive ist entscheidend dafür, etwaige Konflikte so schnell wie möglich aufzudecken - und zu lösen.

Unser Fazit: Je mehr kreative Reize die Retro setzt, desto produktiver das Meeting. Und desto besser das Produkt.

 

Gern helfen wir Ihnen bei Scrum und der Umsetzung agiler Arbeitsweisen. Wir beraten Sie kostenlos und freuen uns auf Ihre Anfrage!

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