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Mentale Gesundheit stärken – Was Arbeitgeber tun können

Wir haben mit dem Arbeitspsychologen und Professor Dr. Andreas Müller von der Uni Duisburg-Essen gesprochen. Im Interview mit uns verrät er, was Unternehmen für ihre Mitarbeitenden tun können, um deren mentale Gesundheit zu stärken und psychischen Erkrankungen vorzubeugen.

Das Thema ist uns wichtig. Das Wohlergehen und die Gesundheit unserer Mitarbeitenden liegt uns am Herzen. Die lise ist Top Arbeitgeber bei kununu und mehrfach als einer der besten Arbeitgeber der ITK ausgezeichnet. Die letzte Great Place to Work-Umfrage ergab: Unsere Mitarbeitenden schätzen den familiären, offenen und respektvollen Umgang miteinander.

Diese Werte leben wir mit der menschenzentrierte Führung vor und ergreifen weitere Maßnahmen (siehe unten). Besonders in Zeiten von Krisen möchten wir unsere Mitarbeitenden unterstützen und auch den Arbeitsmarkt hinsichtlich der mentalen Gesundheit mitgestalten.

 

Über Prof. Dr. Andreas Müller:  

Andreas Müller ist Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Duisburg-Essen. Seit über 20 Jahren forscht er im Bereich psychische Gesundheit in Organisationen. Sein Schwerpunkt liegt unter anderem auf der Arbeitsgestaltung.

Im Interview mit uns verrät er, was Unternehmen für ihre Mitarbeitenden tun können, um psychische Erkrankungen vorzubeugen und die mentale Gesundheit zu stärken.  

 

Experten-Interview: Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz stärken 

 

Katharina Kampen: Laut dem letzten Report der DAK sind die Fehltage in Deutschland aufgrund psychischer Belastungen in den letzten 10 Jahren um 48 % gestiegen. Was sind die Ursachen dafür?  

Andreas Müller: Die Reports und Statistiken ähneln sich über die Krankenkassen hinweg. Sie zeigen alle, dass sich in den letzten 10 Jahren die Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkrankungen um 50 % oder sogar mehr erhöht haben. Im Gegensatz zu anderen Erkrankungen wie Muskel-Skelett- oder Atemwegserkrankungen, die stabil geblieben sind. Es gibt mehrere Ursachen für diese Entwicklung. 

Das Thema psychische Belastung und Stress ist in der Gesellschaft generell präsenter geworden. Auch Prominente äußern sich, dass sie sich erschöpft oder ausgebrannt fühlen. Jüngstes Beispiel ist Jürgen Klopp, der öffentlich seinen Ausstieg damit kommentiert, er könne seine Trainerposten nicht mehr jede Saison aufs Neue übernehmen und brauche eine Pause. Man geht mit der Thematik offener um, auch gegenüber den Ärzten und Ärztinnen. Zudem haben sich die Diagnoseverfahren verbessert, so dass wir psychische Erkrankungen genauer diagnostizieren können.  

Eine andere Ursache können veränderte Arbeits- und Lebensbedingungen sein. Die Krisen vermehren sich, Umweltproblematik, Kriege, Wirtschaftskrisen. Das trägt auchzu psychischen Belastungen bei, kann Stress auslösen und zu psychischen Erkrankungen beitragen. Außerdem bringt dietechnologische Entwicklung neue Arbeitsbelastungen mit sich, wie die ständige Erreichbarkeit oder der Umgang mit sozialen Medien.   

 

Katharina Kampen: Betrifft das auch das Arbeiten im Home-Office?  

Andreas Müller: Ja, ein neuer Stressor in der modernen Arbeitswelt ist die Entgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit. Es kann im Home-Office schwerer fallen, Grenzen zu ziehen. Während der Pandemie sind die Zahlen, in der die Mitarbeitenden im Homeoffice arbeiten, stark gestiegen. Jetzt merkt man wieder einen Rückgang, aber insgesamt hat sich die Anzahl erhöht.

Home-Office bringt Vorteile:  Man kann flexibler und selbstbestimmter arbeiten. Man kann sich um kleine Erledigungen kümmern, selbst entscheiden, wann der Arbeitstag beginnt und wie man die Arbeit einteilen möchte.

Andererseits bringt es höhere Anforderungen mit sich, sich selbst zu managen und Grenzen zu ziehen. Es empfiehlt sich, die Arbeitszeiten zu planen, genug freie Zeiträume und Erholungszeiten schaffen. Außerdem kann es zu Rollenkonflikten kommen. Als Familienvater oder Freund hat man andere Verpflichtungen und Interessen als bei der Arbeit. Es ist hilfreich, zu trennen, in welcher Rolle man sich gerade befindet.  

 

Es ist zentral, dass Führungskräfte wertschätzend mit ihren Mitarbeitenden umgehen und sie unterstützen.

— Professor Dr. Andreas Müller

 

Katharina Kampen: Verstehe. Wie kann der Arbeitgeber der generell steigenden psychischen Überlastung entgegenwirken?  

Andreas Müller: Der Arbeitgeber ist dafür verantwortlich, gute Arbeitsbedingungen zu schaffen. Das bedeutet, Stressoren möglichst zu reduzieren, Überbelastungen zu vermeiden und auch Ressourcen bereitzustellen. Seit 2013 sind Arbeitgeber in Deutschland nach dem Arbeitsschutzgesetz dazu verpflichtet, psychische Belastungen in der sogenannten Gefährdungsbeurteilung mitzuberücksichtigen.

Alle Arbeitgeber in Deutschland müssen Belastungsfaktoren regelmäßig überprüfen. Dazu gehören auch psychische Belastungen, die krank machen können. 

Typische Faktoren sind dabei ein Ungleichgewicht zwischen hohen Arbeitsanforderungen, Zeitdruck, knappen Deadlines, Personalmangel, generell einer hohen Arbeitsmenge bei gleichzeitig wenig Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten. Das kann zu Dauerstress und langfristig zu einem Burnout führen.

Ein weiterer Punkt ist fehlende Wertschätzung. Nicht nur im Sinne von Verdienstmöglichkeiten, sondern auch in Form von Feedback, Möglichkeiten der Weiterentwicklung und der Sicherheit des Arbeitsplatzes.

 

Katharina Kampen: Wie kann der Arbeitgeber seiner Pflicht nach dem Arbeitsschutzgesetz nachgehen? 

 Andreas Müller: Arbeitgeber können ihre Mitarbeitenden regelmäßig hinsichtlich der Arbeitsbelastungen befragen und die Ergebnisse systematisch aufbereiten. In Workshops können sie mit den Mitarbeitenden Lösungen erarbeiten und umsetzen.

Es gibt einige Ansätze, die gut über alle Branchen hinweg funktionieren: Selbstbestimmung und Partizipation ermöglichen, Entscheidungsmöglichkeiten einräumen, ein positives Teamklima schaffen und Führungskräfte darin schulen, wertschätzend mit ihren Mitarbeitenden umzugehen.

In Zeiten des Fachkräftemangels können Unternehmen so auch auf dem Arbeitsmarkt herausstechen. Sie können zeigen, dass ihnen die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden am Herzen liegt.  

 

Katharina Kampen: Welche Rolle spielen die Führungskräfte bei psychischer Überbelastung am Arbeitsplatz?   

Andreas Müller: Führung spielt eine wichtige Rolle. Das sieht man auch an Umfragen: Schlechte Führung ist einer ­der wesentlichen Kündigungsgründe und Stressfaktoren. Demzufolge ist es zentral, dass Führungskräfte wertschätzend mit ihren Mitarbeitenden umgehen und sie unterstützen. Wenn Belastungen auftreten, können sie zeigen „Ich bin für euch da“. Auf der anderen Seite sollten sie auch klare Vorgaben machen.

Damit die Mitarbeitenden wissen, was von ihnen erwartet wird. Wenn sie selbst um 20 Uhr noch E-Mails schreiben, können Sie kommunizieren, dass sie erst am nächsten Tag in der regulären Arbeitszeit eine Antwort erwarten.

Gleichzeitig sollten sie auf Bedürfnisse eingehen und individuelle Lösungen schaffen. Zum Beispiel, wenn Mitarbeitende später zur Arbeit kommen, weil sie ihre Kinder noch zur Kita bringen.

Dabei sollten sie auf eine Balance im Team achten und dass keine Ungerechtigkeiten auftreten. Wertschätzung zeigen sie, in dem sie ihre Mitarbeitende loben, regelmäßig konkretes und wertschätzendes Feedback geben, Kritik nie auf die ganze Person beziehen und wenn Fehler passieren, gemeinsam nach Lösungen suchen.  

Aus Sicht der Führungskräfte ist das nicht so einfach, weil sie sich möglicherweise in einem Rollenkonflikt sehen. Sie möchten, dass es den Mitarbeitenden gut geht, andererseits auch, dass die Arbeit gemacht wird.

Oft besteht die Sorge, dass sich die Mitarbeitenden auf die faule Haut legen. Doch Menschen wollen ihre Arbeit gut machen.

Das ist auch relevant für ihre psychische Gesundheit und Identität. Wenn wir uns auf der Arbeit kompetent und produktiv erleben, wenn wir das Gefühl haben, wir haben auf der Arbeit etwas geleistet, fühlen wir uns selbstwirksam.

Dagegen ist es demotivierend, wenn wir uns anstrengen, aber am Ende des Tages den Eindruck haben, nichts geschafft zu haben.

Selbstwirksamkeit ist eine Ressource. Hier ist ein positives Feedback von Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen oder Klienten wertvoll. Es signalisiert uns, was wir geleistet haben.  

 



 

Katharina Kampen: Sie nennen Selbstwirksamkeit als Ressource. Welche gibt es noch?  

Andreas Müller: Ein positives, unterstützendes Teamklima ist eine ebenso wichtige Ressource. Wir sind soziale Menschen. Ein kollegiales Vertrauensverhältnis, in dem sich Kolleg:innen verstehen und gegenseitig unter die Arme greifen, ist eine Voraussetzung dafür, dass wir uns bei der Arbeit wohlfühlen.

Wenn es mal schlecht läuft, hilft es, wenn wir jemanden auf der Arbeit haben, der uns unterstützt. Psychologische Sicherheit ist ein weiterer Faktor. Das bedeutet, offen über Probleme sprechen zu können und sie nicht runterschlucken zu müssen.

Dabei sind Führungskräfte Vorbilder. In Teammeetings können sie signalisieren: Wir können offen sprechen. Wenn jemand Probleme hat, nehmen wir das ernst und schaffen Lösungen.  

 

Katharina Kampen: Was können Unternehmen tun, wenn Mitarbeitende bereits psychisch erkrankt sind?  

Andreas Müller: Die Führungskräfte haben hier wieder die besondere Verantwortung, ein offenes Auge zu haben. Dabei geht es nicht darum, dass die Führungskraft wie ein Hobbypsychologe Diagnosen stellt, sondern Beobachtungen konkret anspricht.

Wenn ein Kollege über längere Zeit niedergeschlagen wirkt, sich seltener einbringt und vielleicht auch die Leistung nachgelassen hat, kann es auf eine psychische Überbelastung hindeuten. Man kann Unterstützung anbieten, sollte aber gleichzeitig auch eine klare Erwartungshaltung aussprechen, z.B. „Ich gebe dir ein bis zwei Wochen Zeit, dass du einen Gang runterschalten kannst, aber bitte gehe zum Arzt und bespreche das mit ihm, wenn du glaubst, dass es hilfreich ist.“

Man kann auch auf entsprechende Angebote im Betrieb hinweisen. Vielleicht gibt es eine psychosoziale Beratung oder einen Betriebsarzt oder -ärztin, an die man sich wenden kann. 

Psychische Erkrankungen gehen meist mit einer langen Erkrankungsdauer einher. Es kommt häufig zu einer Langzeiterkrankung, die über sechs Wochen gehen kann. In diesem Fall müssen Betriebe eine betriebliche Wiedereingliederung anbieten und Angebote schaffen, um die Rückkehr zu erleichtern.

In Bezug auf psychische Erkrankungen ist das ein sehr sensibles Thema, da es oft mit Scham und Ängsten seitens der Betroffenen besetzt ist, weil psychische Erkrankungen, trotz des offeneren Umgangs in der Gesellschaft, oft immer noch mit Vorurteilen behaftet sind.

Die wahrgenommene Unterstützung durch das Team und die Führungskraft und auch wieder die psychologische Sicherheit sind Faktoren, die Betroffenen den Einstieg erleichtern. Wenn sie wissen, dass sie mit ihrer Erkrankung offen umgehen können und nicht dafür diskriminiert werden, entlastet das.

Teilweise ist auch die Arbeit mit Ängsten besetzt. Schaffe ich das? Kann ich die Leistung wieder erbringen? Betroffene können sich schrittweise rantasten, und wieder Selbstvertrauen finden, in dem sie merken, dass sie die Arbeit schrittweise wieder bewältigen können.  

 

Katharina Kampen: Was können wir selbst tun, wenn wir bei der Arbeit überbelastet sind?  

Andreas Müller: Es ist hilfreich zu wissen, dass die eigene Stressbelastung nicht nur ein persönliches Problem ist, sondern auch an den Rahmenbedingungen liegen kann. Das entlastet und man fühlt sich nicht weniger leistungsfähig, sondern weiß, ich arbeite unter stressigen Bedingungen und die meisten Menschen wären in dieser Situation gestresst.

Grenzen setzen ist ein fundamentales Thema, das leicht gesagt, aber oft schwer umzusetzen ist. Zum Beispiel der Führungskraft zu kommunizieren, dass man nach Feierabend nicht mehr erreichbar ist. Das Grenzen setzen ist nur bedingt möglich. Dafür braucht es ein Arbeitsklima, in dem man keine Angst hat, seinen Arbeitsplatz zu verlieren. 

Bei Menschen, die hohe Ansprüche an sich selbst haben und schwer mit Fehlern umgehen können, können wir annehmen, dass auch ihr empfundener Arbeitsstress höher ist. In Stressbewältigungs- oder Resilienztrainings werden irrationale Glaubenssätze wie „Ich muss immer stark sein“ oder „Ich muss immer perfekt sein“ reflektiert und man lernt, diese durch weniger stressauslösende Gedanken zu ersetzen, wie „Fehler sind erlaubt“ oder „Irren ist menschlich“. 

 

Katharina Kampen: Was halten Sie von Resilienz- und Stresspräventionstrainings als Maßnahme für Unternehmen?  

Andreas Müller: Wenn Resilienz- und Stresspräventionstrainings auf wissenschaftlich evaluierten Methoden beruhen, können Betriebe sie ergänzend einsetzen. Doch sie sollten die Problematik und Verantwortung nicht auf die Mitarbeitenden verlagern. In erster Linie ist es die Aufgabe des Managements, die Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Im zweiten Schritt können sie Trainings anbieten, um die einzelnen Mitarbeitenden zu stärken. Beides ist sinnvoll, aber aus arbeitspsychologischer Sicht, sollte man erst gute Arbeitsbedingungen schaffen.  

 

Katharina Kampen: Gibt es Grenzen für Betriebe, was die Prävention von psychischer Überbelastung betrifft?  

Andreas Müller: Die Rahmenbedingungen können Betriebe manchmal nur bedingt beeinflussen. Der demografische Wandel in der Gesellschaft führt zu Personalmangel und langfristig dazu, dass wir weniger Arbeitskräfte haben werden. Das ist ein Punkt, mit dem Betriebe generell umgehen müssen, wie sie mit weniger Personal die Leistung erhalten und trotzdem die Mitarbeitenden nicht überbelasten.

Umso sinnvoller ist es, die Mitarbeitenden mitzunehmen und einzubeziehen. Sie kennen sich am besten aus in ihrem Bereich und haben meistens gute Ideen, wie man die Arbeit verbessern kann.  

 



Wir bedanken uns bei Professor Dr. Andreas Müller für die wertvollen Einblicke und Tipps zur Stärkung der Gesundheit am Arbeitsplatz!

Einige der erwähnten Maßnahmen sind bei uns bereits etabliert, was uns in unserer Vorgehensweise bestätigt. Natürlich wollen wir uns nicht darauf ausruhen und werden für das Wohl unserer Mitarbeitenden weitere Benefits einführen. 

 

So fördern wir die körperliche und mentale Gesundheit unserer Mitarbeitenden
 

  • Menschenzentrierte Führung
  • Monatliche 1on1 Entwicklungsgespräche mit dem Unit Head
  • Aktive Beteiligung an strategischen Entscheidungen
  • Selbstmanagende Teams
  • Mobiles Arbeiten von zu Hause aus
  • Professionelle Massagen im Büro
  • Überstundenausgleich durch Freizeit oder Auszahlung
  • Systemisches Coaching
  • Flexible Arbeitszeiten, um Familie und Job unter einen Hut zu bekommen
  • Bürohund erlaubt - so sparst du dir den Hundesitter
  • Hochergonomische Büroausstattung
  • und noch einiges mehr!

 

Erfahre mehr darüber, wie es ist, bei uns zu arbeiten und schau dir unsere Benefits und unsere offenen Stellen an. Lust bekommen, bei uns zu arbeiten? Dann bewirb dich jetzt! 

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