Der lise Blog:
Einsichten, Ansichten, Aussichten

Erste Eindrücke: Der Scrum Guide 2020

Die Zukunft im Blick

Vor einigen Monaten habe ich bei der lise in einem bereits bestehenden Team die Verantwortlichkeit des Product Owners übernommen. Das Ziel: das Team zu unterstützen, ihm eine Richtung zu geben und vor allem den Mehrwert für den Kunden auszubauen. Denn ein zentraler Fokus liegt bei der lise dieses Jahr auf Kundenzentriertheit. In unserem Projekt planen wir eine Neuentwicklung, um ein etwas in die Jahre gekommenes, komplexes System modular mit neuen Komponenten zu ersetzen.

Legacy-Software zukunftsfähig zu machen ist an sich schon eine Herausforderung. Zum Glück sind wir ein kleines Team, sitzen (normalerweise) zusammen in einem Büro, haben kurze Kommunikationswege und wissen immer, wo es läuft und wo nicht.  Und dank Scrum haben wir einen passenden Rahmen, um auf Änderungen schnell zu reagieren.

Kurzes Recap: Scrum ist ein Framework für agiles Projektmanagement und agil entwickelte Produkte. Anfang der 1990er Jahre entwickelte Jeff Sutherland die Basis für diese neue Art der Zusammenarbeit. Scrum arbeitet mit flachen Hierarchien, selbstorganisierten, cross-funktionalen Teams und setzt auf eine hohe Kommunikationsfrequenz unter den Beteiligten.

Seit 2010 veröffentlicht Sutherland zusammen mit Co-Autor Ken Schwaber den „Scrum Guide“, in dem die Arbeits- und Vorgehensweise detailliert erläutert und immer wieder angepasst wird.

 

 

Im November wurde nun der Scrum Guide 2020 veröffentlicht, die insgesamt siebte Iteration. Diese beinhaltet vor allem folgende Änderungen:

  • Es gibt weniger Vorschriften (z.B. Wegfall von Daily Scrum Fragen)
  • Es gibt keine Team-im Team-Konstellationen mehr
  • Das Konzept des “Produktziels“ ist neu
  • Das Sprintziel, Definition of Done und das Produktziel werden ab sofort den Selbstverpflichtungen zugeordnet
  • Teams verwalten sich selbst, anstatt sich komplett selbst zu organisieren
  • Es gibt ab sofort drei anstatt zwei Themen im Sprint Planning - hinzu kam das “Warum?”
  • Die Sprache wurde vereinfacht und der Guide um mehrere Seiten gekürzt

In den vergangenen Wochen hatte ich genügend Zeit, um einen Eindruck zu gewinnen, wie ich einige der Neuerungen in meinen persönlichen Product-Owner-Alltag einbringen kann. Die drei Änderungen, die mir persönlich am meisten bedeuten, möchte ich im Folgenden kurz vorstellen.

 

1. Das „Warum“ wird wichtiger

„Warum?“. Diese Frage haben sich Ken und Jeff wohl auch öfters gestellt, denn jetzt findet sich diese im Sprint Planning wieder. „Warum?“ fragt, welchen Mehrwert ein jedes Feature für das Produkt bringt. Diese Frage gehört für mich als Product Owner zwar zum täglichen Business, allerdings war sie bisher kein fixer Bestandteil des Scrum Guides.  

Also habe ich das Team bei wirklich jeder Entscheidung auch genau danach gefragt, warum wir so entscheiden und auf welches Ziel das Feature einzahlt. So konnten wir unsere Arbeit besser mit dem neuen Produktziel (siehe 2.) und der Produktvision abgleichen. Außerdem hat diese Vorgehensweise das Aufgabenprofil der ursprünglichen Planning-Fragen „was“ und „wie“ geschärft. Jeder weiß nun, warum er was wie entwickelt und wo wir mit dem Sprint in Zukunft hinwollen. Das hält die Motivation hoch!

Ein weiterer positiver Effekt: Der Kunde kann sich bei der Umsetzung neuer Features noch sicherer sein, dass das richtige Produkt für ihn entwickelt wird. Auf dieser gestärkten Vertrauensbasis ist die Zusammenarbeit mit Kunden besonders wertschätzend und effizient.
 

2. Sprintziele zahlen auf Produktziele ein

Es gibt nicht mehr nur das Sprintziel. Ab sofort zahlen alle Sprintziele auf das übergeordnete, neue Produktziel ein. Es bildet sozusagen das Dach des Product Backlogs. Erledigen wir die einzelnen Produktziele, nähern wir uns kontinuierlich der Produktvision.

Im Gegensatz zu dieser ist das neu etablierte Produktziel jedoch greifbarer für mich und lässt sich so besser in Etappen unterteilen. Der Nutzen davon? Ein Ziel ist konkreter als eine Vision und vor allem: messbar! Dieses lässt sich nämlich wunderbar in ein agiles Zielerreichungssystem wie den OKR (Objective & Key Results) einbauen.

OKR sind transparent und werden entsprechend agiler Grundsätze iterativ angepasst. Mit den Produktzielen gibt es also nun eine weitere, motivierende Komponente, die den Blick auf das große Ganze richtet und nicht nur kurzfristig Richtung Zukunft blickt, wie ein einzelnes Sprintziel.

Das neu etablierte Produktziel ist greifbarer und vor allem: messbar!

— Sandra Malik, Product Owner

 

3. Flexibilität beim Daily Scrum

Natürlich hatten wir uns auch in der Vergangenheit immer an die Meeting-Empfehlungen gehalten: Daily Scrum, Sprint Review, Sprint Planning und Retrospektive. In manchen davon schlich sich ab und an eine Art Routine ein. Denn jahrelang waren die drei folgenden Fragen obligatorisch:

  1. Was habe ich seit dem letzten Daily Scrum getan?
  2. Was plane ich, bis zum nächsten Daily Scrum zu tun?
  3. Was hat mich bei der Arbeit behindert (Impediments)?

Im neuen Scrum Guide 2020 werden diese nicht mehr erwähnt. Dennoch wird weiterhin empfohlen, dass sich das Team in einen täglichen Austausch begibt. Damit sollen wichtige Fragen und Probleme gemeinsam geklärt werden, die sonst der Arbeit für den Tag im Weg stehen würden. Nur welche Fragen genau gestellt werden, ist nun jedem Product Owner freigestellt.

Diese neue Flexibilität erlaubt es, dass man die zu stellenden Fragen an die vorherrschende Situation anpasst. Wenn wir uns alle im Home-Office befinden, ist mein Bedarf nach einem kurzen Status-Update höher, als wenn wir gemeinsam im Büro sitzen und uns ohnehin austauschen.

Also haben wir es in den letzten Wochen ausprobiert: Mehr Fokus auf die Fragen, die nicht auf dem Board ersichtlich und für das Sprintziel wirklich relevant sind (und je nach Büro-Konstellation weniger Fragen nach dem Status Quo).

Das Ergebnis: die Aufmerksamkeit im Daily war aufgrund des abwechslungsreichen Meetings sichtlich höher und der Informationsaustausch konzentrierte sich auf die bevorstehenden Aufgaben. Insgesamt waren die Treffen dadurch auch kürzer.

Das hat uns Zeit und dem Kunden Geld gespart. Die so geschaffenen Freiräume konnten wir effektiv für die Produktentwicklung nutzen.

Die lise lebt eine „agile Flexibilität“. Wir setzen die unterschiedlichsten Methoden ein, je nach Nutzen für die Produktentwicklung. Wir überlegen uns in den ersten Gesprächen, welche Methode am besten zu dem jeweiligen Kunden und seinen Wünschen passt. Meiner Meinung nach ermöglicht uns der neue Scrum Guide diese Flexibilität noch besser zu auszuleben, da er weniger vorschreibt, sondern einen Rahmen vorgibt, um darin agil zu performen.

Mein persönliches Fazit: das Arbeiten mit dem Scrum Guide 2020 unterstützt vorausschauende Produktentwicklung und richtet den Blick noch stärker auf Zukunft und Ziele. Er bringt mehr Flexibilität mit sich und schafft Räume, um modernere Methoden miteinander zu verknüpfen und etwa OKR einzusetzen. Die Neuerungen unterstützen die langfristige Motivation, so dass die agile Produktentwicklung sogar ein bisschen mehr Spaß macht, als es vorher schon der Fall war.  

Übrigens: Mit unserer lise Academy unterstützen wir Sie dabei, die neuen Scrum Richtlinien umzusetzen und agile Arbeitsweisen in Ihrem Unternehmen zu etablieren. Wir beraten Sie kostenlos und freuen uns auf Ihre Anfrage!

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